Erinnern - Zurechtlegen


Omnibeuys Tours ist eine 90 minütige Bustour an biographische Orte eines Tänzers... eine Kneipe, ein Tanzstudio, ein Friedhof, ein Konzert. Als Theaterstück getarnt, thematisieren Riebort, Müller den Prozess des Sicherinnerns als Chance seine Existenz zu verstehen, und entlarven dabei Selbstlügen und Überlebensstrategien.


In den Ready-Made-Bühnenbildern der Stadt tritt der Tänzer als Tourguide mit seinen Geschichten auf, durchlebt noch einmal Momente der Grandiosität und Niederlage, ein Reisender, der von Projekt zu Projekt fährt, ein Provinzler, der zum Städter geworden ist, Bekanntschaften mit internationalen Stars gemacht hat und betont, dass er auch nur mit Wasser kocht. Er ist ein Präomnibeuys, ein normaler Mensch hinter dem Künstler. Paradoxerweise hat Beuys den normalen Menschen zum Künstler ernannt. Man kann nach Beuys kein einfacher Mensch sein, sondern wird ein Omnibeuys. So hangelt sich die autobiografische Reflexion an dem Begriff Kunst entlang. Streckenweise flackern Videoerinnerungen auf den Bildschirmen auf, er lädt zur Kaffeerunde in die Kneipe Sanderstübchen, um seine Kindheitserinnerungen in Salzteig zu kneten. In der Tanzfabrik tanzt er aus seiner verzerrten Erinnerung ein frühes Tanzsolo und hält danach auf dem St. Mattäus Friedhof eine Andacht am Grab eines guten Freundes und Choreographen, der Einfluss auf seine Arbeit hatte. Auf einer Baustelle singt er, mit Bo Wiget als Kunstliedsystem: Beide Messies, Lieder über seine Schwachstelle, die Avantgarde, Herkunft und Zukunft.


Form


Omnibeuys Tours ist ein Sightseeing Projekt. Die Zuschauer werden am Potsdamer Platz von einem Bus abgeholt und an 5 verschiedene Orte gefahren. Eintrittskarten kann der Besucher über einer Webseite buchen oder bei einem koproduzierenden Theater buchen. Der Bus fungiert als mobiler Zuschauerraum, Transportmittel und Sammlungort nach Besichtigung eines Spielortes. Als “beweglicher Körper” symbolisiert der Bus den Prozess des Erinnerns als etwas Lebendiges und Aktives, das stoppt, parkt, umlenkt, und beschleunigt wird.


Die Tour


1.Der Potsdamer Platz - Zentrum einer Metropole, Trümmergrundstück, Mauerstreifen, Niemandsland, Großbaustelle, Touristenattraktion – ein Ort der kollektiven Erinnerung und wo Erinnerung erlebbar wird, auch für unseren Omnibeuys.


2.Das Sanderstübchen ist eine Kneipe im Neuköllner Kiez. Morgens um 10 Uhr, hinter vergilbten Gardinen und mit Zimmerpflanzen zugestellten Fenstern sitzen Menschen zusammen und trinken Schnaps. An der holzvertäfelten Wand ist ein Fernseher angebracht, er zeigt eine Talkshow, darunter steht ein Flipperautomat. Dieser Ort erinnert unseren Omnibeuys an sein Zuhause in Kassel.


3.Die Tanzfabrik - Zentrum für zeitgenössischen Tanz – vereinigt künstlerische und pädagogische Arbeit unter einem Dach. Der Omnibeuys präsentiert sein erstes Tanzsolo von 1995 im Prozess des aktiven Erinners. Was wird physisch erinnert? Was hinzugefügt und weggelassen?


4.Der St. Mathäus Friedhof liegt in der Nähe des U-Bahnhofes Yorkstrasse. Der Omnibeuys führt das Publikum zu dem Grab eines verstorbenen Freundes und Choreographen. Er erinnert sich an seine choreographischen Zusammenkünfte und Auseinandersetzungen mit ihm.


5.Das Gleisdreieck ist halb Baustelle, halb Golfplatz und Naturerlebnisraum - ein Ort des Absurden, Unvollendeten und Möglichen, weil es Raum für Jeden lässt. Er ist das Ende der Tour in der Nähe des Potsdamer Platzes. Der Omnibeuys singt Lieder über seine Schwachstelle, die Avantgarde und seine Zukunft.

Idee/ Umsetzung: Maik Riebort

Performer/Umsetzung: Andreas Müller

Produktion: Maik Riebort

Koproduktion: Tanzfabrik Berlin, 2008

Länge: 90 min